Nachdem die Taliban die Stadt Mazar-e-Sharif erobert hatten, waren die Menschen alle sehr aufgeregt. Die meisten Menschen in Mazar-e-Sharif arbeiteten in Regierungsbüros oder ausländischen und inländischen Institutionen. Alle, die Geld hatten, verließen sehr schnell Afghanistan. Langsam begannen die Taliban, die Häuser zu plündern, das hatten sie zuvor angekündigt. Sie wollten diejenigen, die aus europäischen Ländern nach Afghanistan abgeschoben wurden, mit dem Tod bestrafen.
Wo ich gelebt habe, wissen die meisten Menschen, dass ich in Österreich war. Ich hatte wirklich große Angst. Schließlich haben wir uns in der Nacht entschieden, Afghanistan mit Schleppern zu verlassen. Noch am selben Morgen haben wir heimlich unser Haus verlassen, ohne dass einer meiner Nachbarn uns gesehen hat. Wir haben heimlich rausgeschlichen und gingen in Richtung Kabul. Meine Frau war hochschwanger. Wir erreichten Kabul und wollten zum Flughafen. Dort waren sehr viele Menschen und es war sehr laut. Die ISIS waren mittlerweile auch am Flughafen.
Der Andrang war sehr groß, was für meine hochschwangere Frau sehr gefährlich war. Deshalb sind wir nicht bis zum Flughafen gefahren. Wir beschlossen, es über Kandahar über die Grenze bei Spin Boldak nach Pakistan zu versuchen. Die zweite Alternative wäre der Iran gewesen, aber auch das wäre sehr schwierig gewesen.
Wir blieben insgesamt 8 Tage an der pakistanischen Grenze. Mit meiner hochschwangeren Frau und meinen beiden kleinen Kindern. Ich ging jeden Tag zur Grenze. Alle Menschen durften sie überqueren, nur die Menschen der Hazara-Voksgruppe nicht. Immer wieder habe ich es versucht, aber weil ich Hazara bin, durften wir nicht hinüber. Schließlich entschieden wir uns, es das allerletzte Mal zu versuchen. Mit vielen Problemen erreichten wir wieder die Grenze, jedoch haben sie es uns wieder nicht erlaubt. Auch meine Frau hat es versucht, hat geweint und gesagt, dass sie schwanger ist, aber wir durften nicht hinüber. Wir waren alle sehr müde und frustriert, weil wir nicht wussten, was wir weiter machen sollten. Enttäuscht gingen wir zurück Richtung Kabul und da es sehr heiß war, setzten wir uns ein paar Minuten in den Schatten. In meiner Verzweiflung sagte ich aus tiefstem Herzen: Oh Gott, was ist das für ein Leben? Bitte lass uns nicht alleine.
In diesem Moment begegneten wir zufällig einem alten Mann. Er sagte, dass meine Frau sehr krank aussieht. Ich sagte ihm, ja, sie ist krank. Sie ist schwanger und es geht ihr nicht gut. Der alte Mann sagte: Warum holst du dir kein ärztliches Attest? Ich sagte, ich wüsste nicht, wo ich es herbekomme. Er führte uns zu einem pakistanischen Militärarzt. Dort habe ich dem Arzt alles erzählt und ihn um Hilfe gebeten. Meine Frau ist hochschwanger, wir haben zwei kleine Kinder und es ist sehr heiß.
Sie fragten uns, ob wir Hazara sind und ich log und sagte, dass wir keine Hazara, sondern Tadschiken seien. Daraufhin schrieb der Arzt uns ein Attest für meine Frau, dass sie in den nächsten Tagen ihr Kind bekommt. Damit haben sie uns erlaubt, die Grenze nach Pakistan zu überqueren. Und so betraten wir endlich pakistanischen Boden. Wir fühlten uns sehr erleichtert. Dort gingen wir nach Quetta, wo wir ein paar Tage waren und uns ausruhen konnten. Das UN-Büro für Migranten hat dort leider geschlossen. Wir beschlossen, dass wir unter allen Umständen nach Islamabad gehen müssen. Dort gibt es ein UN-Büro für Einwanderer.
In Islamabad bekam dann meine Frau endlich unser Baby. Unser Sohn ist gesund und auch meiner Frau geht es wieder besser. Im Moment leben wir mit drei anderen christlichen Familien in einem Haus im christlichen Gebiet von Islamabad. Aber da wir kein Visum haben, können wir nirgendwo hingehen und ich bekomme auch keine Arbeit. Es ist alles sehr schwierig. Wir haben Angst, dass die Polizei uns kontrolliert und wieder nach Afghanistan abschiebt.
Aber wir haben am 29.9.2021 einen Termin im Büro der Vereinten Nationen vereinbart und nun warten wir sehnsüchtig auf diesen Tag.
Wir hoffen so sehr, dass wir nach Österreich oder nach Deutschland kommen können und hoffen, dass Sie, liebe Leute, uns auf irgendeine Weise helfen und unterstützen können.